Kurzkrimis

Bei Anpfiff Mord

Das wichtigste Fußballspiel der Saison beginnt. Es ist die letzte Chance für die deutsche Mannschaft, die Qualifikation für die kommende Weltmeisterschaft zu schaffen. Die Spieler sind nervös. Reichen ihre Fähigkeiten aus, um dieses Spiel zu gewinnen, oder müssen sie zu anderen Mitteln greifen?

Bei Anpfiff Mord

Der Anpfiff

Der Anpfiff ertönt.
Johlende Massen, 22 Fußballspieler, aber nur einer mit dem Fuß am heißbegehrten Ball. Der Mittelstürmer, die große Hoffnung dieses Spiels, der für dieses entscheidende Spiel unerwartet eingewechselt worden ist.
Doch statt zu bolzen, fällt er um.
Die anderen Spieler erstarren. Der Schiedsrichter ebenfalls. Er will pfeifen, dann wieder nicht. Er ist unentschlossen.
Das Johlen der fünfzigtausend Zuschauer wird leiser und leiser, bis alles in Stille endet. Nichts bewegt sich. Auch nicht der Spieler am Boden.
Der Schiedsrichter ist der erste, dem es gelingt, seine Erstarrung zu lösen. Er tritt zu dem Mittelstürmer hin und misst seinen Puls. Kopfschüttelnd erhebt er sich, setzt seine Pfeife an und pfeift das Spiel ab.
Plötzlich entsteht ein Tumult unter den fünfzigtausend Zuschauern. Schreien, Pfeifen, Brüllen, bis die ersten Gegenstände auf dem Fußballplatz landen.
Doch auch dieser Anfall von Emsigkeit löst sich schnell wieder auf, als Polizisten erscheinen und Sanitäter eine Bahre auf das Fußballfeld tragen.
Nach nur wenigen Minuten erfolgt die Durchsage, das Spiel müsse verschoben werden, über Lautsprecher. Alle Bitten um Erklärungen scheitern. Niemand ist bereit, den Zuschauern die eigentliche Dramatik zu verdeutlichen. Die Angst vor einer Massenpanik ist zu groß.

Herr Kommissar

Kommissar Weiland steht ratlos vor dem toten Fußballspieler. Die Einschusswunde liegt mitten auf der Stirn, zwischen den Augen des Spielers. Die Präzision der Ausführung ist es, die den Kommissar erschüttert. Hier war ein Scharfschütze am Werk.
"Der Tote heißt Hans Kormick und wurde für dieses Spiel eingewechselt", erklärt der Trainer der Fußballmannschaft. "Er galt als Deutschlands neue Hoffnung."
"Eingewechselt?", Kommissar Weiland horcht auf.
"Ja! Unser Mittelstürmer Peter Morowsky hat sich im letzten Spiel durch ein Foul eine Rote Karte eingehandelt."
"Peter Morowsky?", hakt Weiland nach. Er kennt und bewundert diesen Spieler, der von tausenden von Fans liebevoll Möhre genannt wird, wobei nicht ganz klar ist, woher er diesen Spitznamen hat. Verdankt er ihn seinen roten Haaren, oder ist er eine Abwandlung seines Nachnamens?
"Könnte es sein, dass dieser gezielte Schuss Möhre galt?"
"Kaum anzunehmen", widerspricht der Trainer. "Jeder, der sich mit Fußball beschäftigt, weiß, dass heute ein anderer an Möhres Stelle spielen sollte."
Kommissar Weiland spürt sofort, dass dort das Motiv für diese Tat zu finden ist. "Wo ist Möhre jetzt?"
"Er saß eben noch im Mannschaftsraum."
Weiland lässt sich den Weg dorthin zeigen. In diesem Raum sitzen sämtliche Fußballer der deutschen Mannschaft, ebenso die Ersatzspieler. Möhre ist unter ihnen.
Weiland bittet ihn, mit nach draußen zu kommen, wo er in Ruhe mit ihm sprechen kann.
Der Fußballer folgt ihm ohne Murren. Seine Gesichtsfarbe ist blass. Aber ist die bei Rothaarigen nicht immer so?
"Sie mussten also in diesem entscheidenden Qualifikationsspiel auf der Bank sitzen?", beginnt Weiland mit seinen Fragen.
Möhre nickt.
"Haben Sie sich darüber nicht geärgert?"
"Natürlich", gibt Möhre zu. "Aber das ändert nichts. Ich habe im letzten Spiel den Schiedsrichter angegriffen, also habe ich mir den Schlamassel selbst eingehandelt."
Diese Einsicht macht Kommissar Weiland stutzig. Er schaut in das Gesicht des Fußballers. Möhres Augen sind wässrig grün und blitzen auf eine Weise, wie es sich Weiland nicht erklären kann.
"Sie sind wohl derjenige, der vom Tod des Spielers Hans Kormick profitiert", spekuliert der Kommissar.
"Sieht so aus." Die Lässigkeit in Möhres Stimme lässt beim Kommissar alle Alarmglocken klingen. Doch leider ist das kein Beweis.

Wahr oder unwahr?

Plötzlich ertönt ein lautes Schreien von Frauenstimmen.
Kommissar Weiland und Peter Morowsky schauen auf und sehen zwei bildhübsche blonde Damen, die wie wilde Furien aufeinander losgehen.
Weiland schreitet ein und trennt die beiden.
"Was soll das?", fragt er. "Wer sind Sie?"
"Ich bin Hans Kormicks Frau!"
"Gewesen", brüllt die andere. "Mir hat er versprochen, sich von dir scheiden zu lassen."
"Dass ich nicht lache", kreischt die erste. "Bei mir hat er sich beklagt, weil er nicht wusste, wie er dich wieder loswerden kann. Stalking nennt man so etwas."
Kommissar Weiland unterbricht die beiden Frauen nicht. Viel zu interessant ist das Streitgespräch.
Über sein Handy bestellt er einen Kollegen der Spurensicherung herbei, der sich mit staunendem Blick dem Treiben nähert.
Erst als der Mann im weißen Schutzanzug neben Weiland angekommen ist, schauen die beiden Frauen auf.
"Darf ich vorstellen", beginnt Weiland. "Das ist der Kollege der Spurensicherung, der jetzt an Ihnen beiden eine Untersuchung auf Schmauchspuren durchführen wird."
"Warum?"
"Weil Sie im Verdacht stehen, Hans Kormick erschossen zu haben."
Die beiden Frauen sind sprachlos vor Entsetzen.
Noch sprachloser ist plötzlich die Ehefrau des getöteten Fußballspielers, denn an ihren Händen sind frische Schmauchspuren zu finden.
"Ich bin im Schützenverein", stammelt sie.
Aber keiner hört hin.

Der Weisheit letzter Schluss

Kommissar Weiland reibt sich zufrieden die Hände und wünscht sich, jeder Fall könnte doch so einfach sein.
Er begibt sich in den Mannschaftsraum der Fußballspieler, um ihnen die frohe Botschaft zu verkünden.
Aber die Sportler sind alle schon weg.
Nur Möhre ist noch da.
Der Star unter den Fußballern erschrickt beim Anblick des eintretenden Kommissars. Seine große schwere Tasche fällt ihm aus den Händen und landet auf dem harten Boden. Durch den aufgeplatzten Reißverschluss fällt der Blick des Kommissars auf ein Scharfschützengewehr mit Zielfernrohr.

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