Erziehung

Interessanterweise meinen viele Eltern, dass sich die Grundlagen einer guten Erziehung quasi von selbst verstehen würden. Doch bekanntlich gibt es große Unterschiede in Sachen Erziehungsstil und Prägung. Beides hat immense Auswirkungen.

Erziehung

Die ersten Lebensjahre sind entscheidend

"Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr" (oder nur ganz selten)

Was viele nicht wissen: Bereits vor der Geburt beginnt die Persönlichkeitsentwicklung des Nachwuchses. Nach den ersten Schwangerschaftswochen existieren bereits Hirnareale, die für emotionale Lernprozesse zuständig sind. Lebensstil und das allgemeine Stressniveau der Mutter prägen entsprechend den Embryo.
Nach der Geburt saugt das menschliche Gehirn die (soziale) Umwelt geradezu auf. Da sich erst im Laufe der ersten drei Lebensjahre die "höheren" Hirnregionen ausbilden (zuständig für Sprache, Reflexionsvermögen, Ich-Bewusstsein), brennen sich Erlebnisse mit den Bezugspersonen geradezu in das kindliche Gehirn ein.
Interessanterweise haben gerade die in der frühen Kindheit gemachten Erfahrungen daher einen sehr großen Einfluss auf das ganze Leben. Hieraus folgt (für Eltern): Man sollte bewusst auf die Bedürfnisse des Kleinkinds eingehen. Doch welche sind das genau?

Was Säuglinge und Babys brauchen

Bindung und Spiel-Anregungen

Wenn sie auf die Welt kommen, sind Säuglinge von Kopf bis Fuß auf sozialen Kontakt eingestellt. Ohne eine Bezugsperson würden wir psychisch und physisch zugrunde gehen. Nach Erkenntnissen der Bindungsforschung haben Kleinkinder ein immenses Bedürfnis nach Bindung. Diese sollte nicht zu "erdrückend", aber gleichzeitig auch nicht vernachlässigend gestaltet sein. Das Baby meldet sein Nähe-Bedürfnis von sich aus an und zeigt ebenso, wenn es sich wohlfühlt.
Auch der natürliche Antrieb zum Spiel darf nicht vergessen werden! Spielerisch lernt der Heranwachsende seine Umwelt kennen. Das Spiel ist wesentlicher Antrieb der kognitiven (gedanklichen), sprachlichen, motorischen und sozialen Entwicklung. Wird das Spiel vernachlässigt, wird die gesamte Entwicklung vernachlässigt. Und das hat lebenslange Auswirkungen. Das heißt, sorgen Sie immer dafür, dass Ihrem Kind spielerische Anregung zur Verfügung steht. Diese muss altersgemäß gestaltet sein. Optimale Bedingungen bieten dem Baby sowohl eine sichere Bindung als auch die spielerische Erfahrung.

Die Emotionsregulation muss langsam erlernt werden

"Jetzt sei doch endlich mal ruhig!"

Keine Frage: Babys, die sehr viel schreien, belasten in der Regel die Eltern in vielerlei Hinsicht. Leicht kommt einer der beiden Elternteile auf 180 und schreit selbst: "Jetzt sei doch endlich mal ruhig!" Doch dieses Verhalten ist nicht sinnvoll.
Babys können sich nämlich noch gar nicht emotional kontrollieren (ihr Gehirn ist ja noch im Aufbau und besteht überwiegend aus gefühlsspezifischen Hirnarealen). Die Eltern sollten in solchen Fällen also besser als gutes Vorbild in Sachen Emotionsregulation agieren. Das "färbt ab".
Wichtig ist ebenso, dass man nicht gleich überreagiert, wenn sich das Kleine ein paar Schrammen holt. Wer nämlich dann gleich losstürmt und überreagiert, steckt sein Kind emotional an, sodass es schreit, obwohl die Situation vielleicht gar nicht so schlimm war. Hierdurch ensteht schnell eine Übersensibilität (die ebenfalls ein Leben lang bestehen bleiben kann).

Kinder lernen am "Eltern-Modell"

Der Apfel fällt (oft) nicht weit vom Stamm

Was viele Eltern ebenfalls nicht wissen: Durch alles, was sie tun und sagen, prägen sie ihren Nachwuchs. Es gibt etwa verschiedene "kritische Phasen" der Entwicklung, in denen sind Kinder extrem auf ihre Eltern fixiert und imitieren viel. Auch das sogenannte Imitationslernen hinterlässt seine Spuren im Gehirn - und es wird nie vergessen, was die Eltern gesagt und getan beziehungsweise nicht gesagt und nicht getan haben.
Das heißt, man kann auch darauf vertrauen, dass Kinder sich "einfach so" Dinge von ihren Eltern abschauen. Und daher sollte man sich auch nicht jeden Tag damit verrückt machen, ob man die Kinder "richtig" erzieht.

Pubertät - Krise und Selbstsuche

Wenn Eltern schwierig werden

Zu massiven Umbaumaßnahmen im Gehirn kommt es vor allem in der Pubertät. Damit verbunden sind Veränderungen im Hormonhaushalt - was erklärt, wieso Jugendliche an einem Tag "supi", am nächsten völlig "depri" drauf sind.
In dieser Zeit haben die Erziehenden oft Angst, ihr Nachwuchs könne auf die schiefe Bahn geraten, völlig aufmüpfig und unausstehlich werden. Achtung: Je mehr Sie diese "Katastrophen" erwarten, desto eher werden sie auch passieren (Prinzip der sich selbst erfüllenden Prophezeiung).
Bleiben Sie lieber interessiert und greifen Sie Themen aus der Lebenswirklichkeit des Heranwachsenden auf. Legen Sie nicht alles auf die Goldwaage! Gleichzeitig sollten aber auch klare Regeln gelten (etwa: "Um Mitternacht bist du zu Hause!"), die einmal, aber nicht öfter diskutiert werden können. Und bedenken Sie gleichzeitig: Je mehr Regeln, desto mehr Ausbruchsreaktionen (das ist ganz menschlich).

Wir besitzen unsere Kinder nicht, wir begleiten sie

Wir besitzen unsere Kinder nicht, wir begleiten sie

Ja, Erziehung ist so eine Sache. Im Rückblick - etwa wenn die Kinder aus dem Haus sind - sagen viele Eltern: "Ja, insgesamt haben wir doch alles richtig gemacht!" Nun, das kann man nie so genau sagen. Zwar sind die engsten Bezugspersonen in Hinsicht auf die Entwicklung des Nachwuchses sehr wichtig und relevant, aber sie sind nicht die einzigen, die ihre Kinder prägen. Seinen eigenen Einfluss kann man nur bedingt "nachweisen".
Auf der anderen Seite machen viele Eltern auch Fehler, die sie unmittelbar gar nicht sehen und im Rückblick "wegrationalisieren". Was oft vergessen wird: Wir erziehen unsere Kinder im Allgemeinen meistens so, wie wir selbst geprägt wurden. Denn auch wir haben in früher Kindheit den Erziehungsstil unseres sozialen Umfelds "aufgesaugt". Im Erwachsenenalter bricht er sich wieder Bahn - unbewusst, weil sehr früh erlernt.
Wenn der junge Mensch schließlich irgendwann ein Leben führen kann, in dem er arbeits-, liebes- und genussfähig ist (Freud), dann hat man sicherlich viel richtig gemacht.

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