"...Freiheit ist des Glückes Unterpfand", heißt es in unserer Nationalhymne. Wer unfrei ist, ist demzufolge weniger glücklich. Doch wie frei ist unser individueller Wille wirklich? Und: Wieso tappen manche Menschen immer wieder in dieselben Fettnäpfe, obwohl sie das "eigentlich gar nicht wollen"?
Die natürliche Sicht der Dinge
Neben dem Gefühl des Selbstbewusstseins ("Ich bin ich!") gibt
es in der Regel auch die Überzeugung: "Alles, was ich tue und getan
habe, resultiert aus meinem Willen; ich wollte es so." Dies betrifft so
gut wie alle Lebensbereiche, etwas die Berufs- und Partnerwahl.
Natürlich hat diese Sicht der Dinge durchaus ihren Sinn. Was würde aus
uns werden, wenn wir die Verantwortung für unsere Taten stets auf die Umstände
schieben würden? Wir wären unglaubwürdig! Daher hat das Gefühl,
"Herr" über seine Taten zu sein, auch etwas Beruhigendes an sich.
Es gehört zu unserer Identität.
Die neurowissenschaftliche These
Nach der Meinung von Neurowissenschaftlern ist die Annahme der Willensfreiheit
ein Trugschluss. Demnach handeln wir nicht, weil wir etwas Bestimmtes wollen,
sondern wir handeln im Nachhinein deshalb, weil wir es schon wollten, bevor wir
uns dafür entschieden haben. Dies klingt zunächst irritierend, soll
aber im Folgenden erklärt werden.
Bereits kurz nach der Geburt "steht" der emotionale Grundbau des Gehirns.
Der Säugling wird von der Umwelt geprägt und lernt, was gefühlsmäßig
erstrebenswert und was negativ ist. Dies "brennt" sich in unser Gehirn,
und im Erwachsenenalter motivieren uns die damals schon vorhandenen Hirnstrukturen
zu denjenigen Handlungen, die früher einmal sinnvoll waren.
Eine philosophische Perspektive
Unser Rechtssystem geht bekanntlich von der Willensfreiheit aus, sonst könnte
man schließlich keinen Straftäter verurteilen. Die juristische Argumentation
lautet in der Regel: Der Straftäter entschied sich für die Straftat
und hätte auch anders handeln können, nämlich moralisch.
Diese Überzeugung basiert auf den Ausführungen von Immanuel Kant (1724
bis 1804), der sich auch mit Moralphilosophie befasste. Demnach gibt es ein moralisches
"Sittengesetz", den sogenannten "kategorischen Imperativ"
("Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst,
dass sie ein allgemeines Gesetz werde"). Das bedeutet, jeder Mensch hat
die Freiheit, das zu wollen, was er (bewusst) will.
Belege für die Unfreiheit des Willens
Es gibt viele Hinweise darauf, dass es mit der Willensfreiheit dann doch nicht so rosig aussieht. Die meisten Alltagshandlungen, die wir praktizieren, laufen automatisch, ja unbewusst ab (Autofahren, Körpersprache, Streits mit der Familie). Außerdem: Wir wissen oft nicht, wieso wir mies gelaunt sind und die Anderen für diesen Missstand verantwortlich machen. Machen wir das aus "freiem Willen"? Suchen wir uns zum Beispiel die Vorurteile bewusst aus, mit denen wir unbekannte Mitmenschen bewerten? Und eine Studie weist nach: Spielt man in einem Einkaufsmarkt deutsche Blasmusik, greifen die Kunden vermehrt zum Bier. Machen Sie das bewusst? Nein.
Belege für die Freiheit des Willens
Nun gibt es auch Menschen, die mehr sind als nur "Sozialautomaten",
die in der Kindheit geprägt wurden und lebenslang nach ihren "niederen
Hirnstrukturen" handeln. Es gibt viele Beispiele. Manche brechen etwa aus
ihren familiären Strukturen aus und machen Karriere in einem Beruf, den die
Familie jahrelang verachtete.
Auf der anderen Seite können mehr "Willensfreiheitsgrade" erobert
werden, wenn man sich reflektiert mit sich selbst auseinandersetzt und im Alltag
achtsam ist. Dann merkt man nämlich, dass man oft automatisch dieselben Dinge
will. Und dann kann man dem ersten Impuls widerstehen und den Kreislauf stoppen.
Das dürfte übrigens ein guter Tipp für diejenigen weiblichen Singles
sein, die immer wieder an dieselben "aggressiven Kerle" geraten, obwohl
sie das "gar nicht wollen".
Freiheit im Alltag?
Nun haben wir einiges zur subjektiven Willensfreiheit erfahren. Die äußeren Umstände, denen die meisten ausgeliefert sind, sollen nicht vergessen werden. Die berufstätige Masse ist doch, wenn man mal ehrlich ist, relativ unfrei. Der Arbeitstag ist strukturiert, und Montag bis Freitag muss man "raus aus den Federn". Dann gibt es geschäftliche Termine, die eingehalten werden müssen. Einen miesen Chef muss man in der Regel ertragen, man kann nicht "einfach so" kündigen und in Australien Kängurus züchten, oder? Hat man Familie, wollen die Bedürfnisse der anderen auch berücksichtigt werden. Hieraus folgt: Schätzen Sie die kleinen Freiheiten, die jeder auch haben sollte.
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