Wir alle kennen das Gebot "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst". Menschen mit dem sogenannten Helfersyndrom übertreiben es dahin gehend sehr. Sie sind geradezu dazu verpflichtet, anderen zu helfen. Was sind die Ursachen? Welche Konflikte können entstehen?
Das Helfersyndrom im Beruf
Der deutsche Philosoph Johann G. F. Fichte (1762 bis 1814) sagte einmal: "Was
für eine Philosophie man wählt, hängt davon ab, was für ein
Mensch man ist." An dem Spruch ist was dran, und zwar vor allem in Hinsicht
auf den Beruf, den ein Mensch wählt.
Soziale Berufe bringen entsprechend den "Helfer aus Leidenschaft"
in Berührung mit Personen, die etwa umsorgt, erzogen und gebildet werden
müssen. Daher ist es kein Zufall, dass Menschen mit dem Helfersyndrom meistens
in sozialen Berufen zu finden sind.
Helfersyndrom und Partnerschaft
Ist die Motivation, andere "von ihrem Leid zu befreien", sehr stark
ausgeprägt, so zeigt sich das Thema auch oft in der Auswahl des Lebensabschnittgefährten.
Angezogen fühlt man sich entsprechend von Frauen beziehungsweise Männern,
bei denen es gerade nicht rund läuft. Vielleicht hat das Gegenüber gerade
eine "schlimme" Erfahrung hinter sich und muss getröstet werden.
Probleme kann es geben, wenn der "ehemals Hilflose" im Laufe der
Partnerschaft wieder zu Kräften kommt, sein Leben wieder auf die Reihe kriegt.
Denn eventuell fühlt sich der Andere dann unnütz. Konflikte ergeben
sich auch, sollte der "Hilflose" in seiner Rolle bleiben, dann heißt
es vorwurfsvoll: "Ständig muss ich mich um dich kümmern!"
Helfersyndrom und Freundeskreis
Viele Menschen mit dem Helfersyndrom, das heißt, mit dem ständigen
Drang, andere zu belehren, aufzuklären, zu erziehen, haben ein scheinbar
"hilfloses" soziales Umfeld. Ständig klingelt das Telefon und
man muss sich die vielfältigen Probleme seiner "Freunde" anhören.
Zwar wertet sich der "Helfer aus Leidenschaft" durch entsprechende
"Hilfeleistungen" auf, aber er ist, lapidar gesagt, auch nur ein Mensch.
Dem "Brennen" folgt daher auch manchmal ein "Ausbrennen".
Trotz der offensichtlichen Nachteile, die das Helfersyndrom auf Dauer mit sich
bringt, können die Betroffenen nur schwer von ihrem typischen Denken und
Verhalten lassen.
Helfersyndrom und Persönlichkeit
Wer seinen Mitmenschen hilft, der wird in unserer Gesellschaft hoch angesehen.
Tatsächlich meinen Menschen, die vom Helfersyndrom betroffen sind, sie würden
"aus freiem Willen" ihr soziales Umfeld aufpäppeln. Dem ist nicht
so. Dies merkt man schnell, wenn man sich bei den Betreffenden nicht bedankt.
Dann sind sie sehr schnell beleidigt.
Oft verhält es sich so, dass "Helfer aus Leidenschaft" sich eben
doch durch die Hilfeleistungen aufwerten. Außerdem muss auf den inneren
Zwang hingewiesen werden, der in der Regel vorliegt: Die Betroffenen "müssen"
öfter mal jemanden unterstützen, sonst fehlt etwas Wichtiges im Leben.
Ursachen des Helfersyndroms
Die Ursachen des Helfersyndroms ragen bis in die frühe Kindheit zurück.
Meistens erlebten Betreffende "passende Vorbilder". Vielleicht übten
Vater oder Mutter bereits einen sozialen Beruf aus und versorgten Menschen in
Not (übermäßig).
Manchmal kommt es auch vor, dass Kinder (viel zu früh) bestimmte Rollen in
der Familie spielen müssen. Vielleicht muss das älteste Kind die Mutter
bei der Erziehung unterstützen und entsprechend die Verantwortung mittragen.
Wird das in zu starker Ausprägung über mehrere Jahre erlebt, kann sich
das Thema "Helfen" in der Persönlichkeit des Heranwachsenden
"einnisten".
Tipps für Betroffene
Wie immer liegt die "Wahrheit" in der Mitte. Wenn Sie vom Helfersyndrom
betroffen sind, dann sollten Sie sich bewusst machen: Wenn man den Anderen zu
oft hilft, bremst das gewissermaßen auch deren Selbstentwicklung. Auf der
anderen Seite sollten sie dem "Ausbrennen" (Burn-out) vorbeugen, indem
sie öfter auch mal "Nein!" sagen. Sie müssen nicht immer
an der Front des Lebens stehen und "Gas geben".
Denken Sie auch mal an sich. Planen Sie ruhig zwei, drei Tage pro Monat ein, an
denen es nur um die Befriedigung Ihrer Bedürfnisse geht.
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