Kurzkrimis

April, April

Er hat wieder zugeschlagen. Paul fühlt sich stark und mächtig. Er hat seine Opfer im Griff - ihm entkommt so schnell keiner, den er einmal in seinen Fängen hat. Nur das Aprilwetter macht ihm zu schaffen. Ständig regnet es in Strömen, was seinen Plan durchkreuzt. Er denkt darüber nach, eine Pause einzulegen.

April, April

Das Opfer

Wimmernd liegt sein Opfer vor ihm. Sein Körper geschunden. Überall die Spuren der Gewalt an ihm zu sehen.
Paul fragt sich, was das Opfer noch vom Leben hätte, sollte er es leben lassen. Es würde sich von diesen Verletzungen niemals erholen können.
Aber das soll nicht Pauls Problem sein. Er hat einen Ruf und den gilt es zu verteidigen. Inzwischen nennt man ihn nicht mehr Serienmörder, sondern Massenmörder.
Das gefällt ihm.
Sein Opfer will sich davonmachen. Es glaubt doch tatsächlich, er hätte es vergessen.
Mit einem Satz steht Paul neben ihm und versetzt ihm den nächsten Hieb. Das Wimmern geht in Schreien über. Die Schmerzen müssen unerträglich sein.
Ach, wie er diesen Augenblick liebt. Er hat die Macht über Leben und Tod. Diese Leidenschaft kann ihm keiner nehmen. Dafür ist sie viel zu lustvoll - zu kostbar. Nichts ist schöner im Leben als dieses Gefühl.
Das Opfer windet sich und wimmert um Erbarmen.
Pech gehabt.
Paul gehört nicht zu denjenigen, die nicht wissen, was sie wollen. Was er mal angefangen hat, das bringt er auch zu Ende.

Regenschauer

Plötzlich prasselt ein heftiger Regenschauer nieder.
Paul stellt sich unter die Markise und wirft einen missmutigen Blick zum Himmel. Eben war er noch strahlend blau. Wo kommen so plötzlich diese Wolken her?
Ein Blick auf sein Opfer.
Der Regen scheint ihm gut zu tun. Also lassen wir ihm die Verschnaufpause. Es wird sowieso nicht mehr lange dauern, dann ist der Spaß vorbei.
Der Regen dauert an.
Wieder wirft Paul einen Blick zum Himmel und ärgert sich. Der Monat April ist so unzuverlässig wie eine Frau während ihrer Periode. Auf nichts ist Verlass.
Er setzt sich hin und wartet.
Tatsächlich!
So abrupt, wie der Regen gekommen ist, so hört er auch wieder auf.
Unverzüglich nähert sich Paul seinem Opfer.
Es lebt noch. Gott sei Dank! Sonst wäre ihm das größte Vergnügen versagt geblieben, nur weil der April ihm einen unerwarteten Regen serviert hat.
Ein neuer Hieb auf das Opfer. Ein neuer Schrei.
Das tut gut. Das Opfer spürt noch etwas. So will Paul das haben. Ein apathisches Opfer, das nichts mehr merkt, bringt ihn um sein Vergnügen. Das kann Paul überhaupt nicht leiden. In solchen Augenblicken ist er immer genötigt, sich unverzüglich ein neues Opfer zu suchen, um seine Befriedigung zu erlangen.
Schon wieder wird es ganz trüb.
Sollte es wirklich so kommen, dass Paul nur des Wetters wegen seine Vergnügungstour abkürzen muss?
Er ärgert sich.
Er stellt sich schon vorsorglich unter die Markise, weil der Regen nicht mehr lange auf sich warten lassen kann.
Schon fallen wieder dicke, nasse Tropfen.
Paul beobachtet sein Opfer. Regungslos liegt es da. Eigentlich nur noch ein Häufchen Elend. Es würde sich doch hoffentlich nicht wagen und ihm einfach wegsterben.
Der Regen versiegt, die Sonne kommt heraus.
Paul bleibt unter der Markise.
So unstet wie das Wetter, so unstet fühlt er sich selbst. Aus dieser Entfernung sieht er sein Opfer nur noch daliegen. Reglos, leblos. Paul strengt seine Augen an.
Da, ein Lebenszeichen. Er sieht, dass es noch atmet.
Er geht darauf zu.
Mit jedem Schritt, den er sich nähert, wird das Winseln lauter. Glaubt sein Opfer tatsächlich, dass Paul Mitleid mit ihm haben könnte?

Das Leben ist schön

Paul lacht und holt zum nächsten Schlag aus. Der Schrei ist jämmerlich. Umso besser für Paul. Er fühlt seine Lebensgeister zurückkehren. Noch ein Schlag und noch einer. Das Leben ist wirklich schön.
Schon wieder prasselt ein starker Regen herunter.
Das ist ja zum Verrücktwerden!!!
Schimpfend kehrt Paul unter die Markise zurück und denkt ernsthaft darüber nach, ob er nicht nach Hause gehen soll.
Heute ist einfach nicht sein Tag.
Und überhaupt! Der April ist nicht sein Monat. Diese Wetterschwankungen bringen sein Vorhaben durcheinander.
Er hasst Regen. Deshalb zieht er es vor, bei Regen unter einem schützenden Dach zu stehen. Und der April ist bekanntlich der Monat, der nicht weiß, was er will.
Wenn das so weitergeht, weiß Paul auch nicht mehr, was er will.
Der Regenschauer dauert lang. Für Paul zu lang. Um sein Opfer herum bildet sich schon eine Pfütze. Wenn Paul Pech hat, ertrinkt es in dieser Pfütze.
Er gähnt. Gelangweilt schaut er zum Himmel. Eine blaue Stelle zeigt sich und wird immer größer. Doch was ist das? Sie zieht vorbei, ohne dass der Regen aufhört. Ärgerlich!
Paul reibt wütend seine Zähne aufeinander.
Entweder, er übersieht den Regen, bringt seine Arbeit zu Ende und geht nach Hause. Oder...
Ja, was oder?
Also geht er mit gebieterischen Schritten auf sein Opfer zu.
Der Blick! Hilflos! Flehend!
"Von mir kannst du keine Gnade erwarten", denkt Paul und setzt zum alles entscheidenden Schlag an.
Er trifft genau ins Genick. Am Knacken hört er, dass es durchgebrochen ist. Die Augen seines Opfers brechen ebenfalls.
Das ist der Moment, für den Paul lebt.
Kater Paul hebt seine Pfote an, schüttelt die tote Maus ab und macht sich schleunigst auf den Weg ins Trockene.

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