Kurzkrimis

Falsche Sternschnuppen

Der August ist der Monat der Sternschnuppen. Auch die Zeitung kündigt starken Sternschnuppenfall für die kommende Nacht an. Die drei Jugendlichen Sina, Kevin und Marcel gehen um Mitternacht auf eine Lichtung, um die Lichteffekte am Himmel zu beobachten - obwohl ihnen der Bauer das strikt verboten hat.

Falsche Sternschnuppen

Auf der Lichtung

"Heute Abend können wir am Himmel Sternschnuppen beobachten", rief Marcel. Auf die erstaunten Gesichter seiner Freunde winkte er mit der Zeitung. "Das steht hier. Ich habe das nicht frei erfunden."
Sina nahm ihm die Zeitung aus der Hand, um sich selbst davon zu überzeugen. "Tatsächlich", staunte sie. "Wenn die Meteorologen das sagen, wird es wohl stimmen." Sie schaute sich auf der Lichtung um. "Sollen wir uns heute Nacht hier treffen? Von diesem Platz aus haben wir einen freien Blick auf den ganzen Himmel."
Marcel und Kevin legten sich ins Gras, um Sinas Aussage zu überprüfen.
"Stimmt", stellte Kevin begeistert fest. "Wir treffen uns hier um Mitternacht! Zur Geisterstunde! Was haltet ihr davon?"
"Klingt richtig gut!"
Plötzlich hörten sie ein Donnern. Die Erde bebte.
Erschrocken richteten sich die drei Jugendlichen auf und sahen, wie der Bauer Müller mit einem schweren Pferd auf sie zugeritten kam. Hastig sprangen sie zur Seite, damit das Pferd nicht über sie hinwegtrampelte.
"Verschwindet hier! Aber dalli!", schimpfte Bauer Müller und schaute dabei Marcel und Kevin böse an. Als sein Blick auf Sina fiel, wich sein Zorn einem dümmlichen Grinsen. "Du brauchst keine Angst zu haben, Sina!"
Sina fröstelte.
"Ich möchte nicht, dass du dich mit diesen Sittenstrolchen herumtreibst. Ich mache mir Sorgen um dich."
"Das ist nicht nötig", gab Sina patzig zurück. "Ich kann auf mich selbst aufpassen."
Das Grinsen verschwand aus Bauer Müllers Gesicht. Er brüllte: "Also gut! Wenn ich euch noch einmal hier auf meiner Wiese erwische, dann werdet ihr euer blaues Wunder erleben."
Wütend wendete er sein Pferd und galoppierte davon.
"Der kann uns mal." Kevin lachte und streckte dem Bauern seinen Mittelfinger hinterher. "Wir werden uns heute Nacht auf dieser Lichtung die Sternschnuppen anschauen."

Mitternacht

Die Kirchturmuhr schlug zwölfmal.
Sina, Kevin und Marcel marschierten schweigend auf die Lichtung. Die Augustnacht war warm, ein sanftes Lüftchen wehte und ließ die Blätter in den Bäumen rascheln. Ein Nachtvogel zog laut kreischend an ihnen vorbei, als wollte er sie vertreiben.
"Gespenstisch", stellte Sina erschrocken fest.
"Das macht doch gerade den Reiz aus", erwiderte Kevin kichernd.
Die Lichtung schimmerte blass im Mondlicht.
Als die drei Jugendlichen den sternenübersäten Himmel sahen, sprangen und hüpften sie vor Begeisterung. Sie mussten nicht lange warten, schon sahen sie den ersten hellen Lichtschweif das nächtliche Schwarz durchbrechen.
"Ich habe eine Sternschnuppe gesehen." Sinas Stimme überschlug sich vor Freude. "Und da! Schon wieder eine." Sie zeigte mit dem Finger in Richtung Himmel. Der nächste Lichtschweif zog quer über den Horizont. Und nach einem kurzen Moment wieder eine.
"Ich fasse es nicht", staunte Kevin. "Noch nie habe ich so viele Sternschnuppen auf einmal gesehen."
"Heute ist wohl eine besondere Nacht."
Sie legten sich ins Gras, um das Schauspiel am Himmel in Ruhe beobachten zu können.
Weitere Lichtschweife durchschnitten den schwarzen Himmel. Aus dem Nichts tauchten sie auf, zogen wie gleißende Lichtschwerter ihre Bahnen, um wieder im Nichts zu verschwinden. Jede neu erleuchtete Sternschnuppe brachte Hoffnung in die Herzen der Jugendlichen, während ihr Verlöschen eine kleine Sehnsucht hinterließ.
Schweigend lagen sie da - sie konnten ihre Gefühle nicht in Worte fassen.
Die Sternschnuppen wurden immer dichter, immer heller. Sie kamen immer näher.
Bis Sina sagte: "Ich bekomme es mit der Angst zu tun. Was geht hier vor?"
Kevin und Marcel setzten sich auf, ohne ihre Blicke von dem Schauspiel am Himmel abzuwenden.

Verdächtige Stille

Niemand sagte ein Wort.
Die Sternschnuppen zogen weiter ihre Bahnen am Himmel.
Sina konnte nur am Rande ihres Gesichtsfeldes wahrnehmen, wie sich Kevin wieder zurücklehnte. Es dauerte nicht lange, da tat Marcel es ihm nach.
Immer noch sprach niemand ein Wort.
Bis Sina plötzlich ein merkwürdiger Geruch in die Nase stieg. Es roch verbrannt.
"Meine Güte! Seit wann plumpsen Sternschnuppen auf den Boden?", fragte sie fassungslos.
Niemand antwortete.
"Hey! Was ist mit euch beiden los?", rief sie.
Schweigen.
Verunsichert erhob sie sich und trat auf Kevin zu. Auf seiner Stirn klaffte ein großes Loch. Sina riss die Augen weit auf und stieß einen lauten Schrei des Entsetzens aus. Hastig rannte sie zu Marcel. Dort erwartete sie das gleiche Bild.
Kevin und Marcel waren tot.
Wie hatte das passieren können?
Plötzlich tauchte eine riesengroße Gestalt neben ihr auf.
Sina wollte wegrennen, schon spürte sie zwei starke Hände an ihren Schultern. Sie schaute auf und sah in das Gesicht des Bauern Müller.
"Ich habe dir doch gesagt, dass ich dich vor diesen Sittenstrolchen beschützen werde."
Sina weinte und versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien.
"Vor mir brauchst du keine Angst zu haben." Bauer Müller lachte. "Es war leicht, die beiden mit meiner Leuchtpistole zu erschießen. Sie haben den Unterschied zu den echten Sternschnuppen gar nicht bemerkt."

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