Kurzkrimis

Hexennacht

Nachdem er eine attraktive junge Frau kennengelernt hat, will Thomas sich von seiner Frau trennen. Er befürchtet aber, dass ihn das teuer zu stehen kommen könnte. Und eins steht für ihn fest: Sein Geld wird er auf keinen Fall teilen. Wird er eine Lösung finden, Freiheit zu gewinnen und sein Geld zu behalten?

Hexennacht

Die Gunst der Stunde

Das Bier schmeckte Thomas heute besonders gut. Er trank mehr, als gut für ihn war. Zu genau wusste er, dass er unter Alkoholeinfluss kein Geheimnis für sich behalten konnte. Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um sich mit solchen Gedanken herumzuschlagen. Viel zu gut war seine Laune.
Inzwischen war die Kneipe leer. Aber der Wirt machte keinerlei Anstalten zu schließen. Das gefiel Thomas. Also bestellte er sich ein weiteres Bier.
"Du wirkst so ausgelassen", sprach der Wirt ihn an, während er zapfte. "Hat das einen besonderen Grund?"
"Oh ja!", tat Thomas geheimnisvoll.
"Erzähl - mach es nicht so spannend!", forderte der Wirt ihn auf und stellte seinem Gast das Bierglas auf die Theke.
"Ich weiß endlich, wie ich meine Alte loswerde", antwortete Thomas. "Es wird wie ein Unfall aussehen."
Der Wirt horchte auf. Er kannte Thomas' Frau. Sie war Französin, bildhübsch, mit einer Oberweite, die alle Männerherzen höher schlagen ließ.
"Warum willst du Chantal loswerden?"
"Weil ich mich in eine andere verliebt habe." Thomas grinste breit. "Zwanzig Jahre jünger, knackiger und zu allem bereit."
"Mannometer! Du musst ein Glückspilz sein."
"Das bin ich!"
"Aber deshalb musst du Chantal doch nicht gleich umbringen."
"Doch!"
"Noch nie was von Scheidung gehört?"
Thomas trank sein Glas leer und schob es vor den Wirt zum Nachfüllen. "Als wir geheiratet haben, war ich so naiv, auf einen Ehevertrag zu verzichten. Die Alte würde mir das letzte Hemd ausziehen."
Der Wirt stellte sich an den Zapfhahn. Ohne seinen Gast aus den Augen zu lassen, füllte er das Bierglas und nickte bedächtig, bevor er sagte: "Das war natürlich ein Fehler."
"Verstehst du jetzt, warum ich mir eine andere Art der Scheidung einfallen lassen muss?"
Der Wirt nickte.
"Bis dass der Tod euch scheidet..." Thomas hob sein Glas und trank. "Ich glaube, so hatte es der Pfarrer in der Kirche gesagt."
"So heißt das immer in der Kirche", belehrte ihn der Wirt, der inzwischen selbst schon geschieden war.
"Dann wollen wir die Kirche doch nicht enttäuschen."

Ein perfekter Plan

"Und wie willst du deine Frau loswerden?" Der Wirt ging zum Eingang und sperrte die Tür ab. Damit wollte er verhindern, dass sich noch späte Gäste einfanden und die interessante Unterhaltung störten.
Thomas spürte, dass im Wirt die Neugier erwacht war. Umso länger ließ er sich Zeit, mit der Sprache herauszurücken. Er genoss es, sein Gegenüber zappeln zu sehen.
"Los! Erzähl! Wer A sagt, muss auch B sagen."
"Okay! Ich will mal nicht so sein", begann Thomas süffisant. "Morgen ist Hexennacht! Das ist genau der Anlass, den ich mir dafür ausgewählt habe."
"Was ist an der Nacht so besonders?"
"In dieser Nacht spielen viele Jugendliche anderen immer irgendwelche Streiche. Nur dieses Mal spiele ich mir meinen eigenen Streich, damit auch alles klappt."
"Drück dich bitte genauer aus!"
"Ich werde die Straßenlampe vor unserem Haus demolieren, damit alles im Dunkeln liegt. Dann werde ich den Kanaldeckel direkt vor unserem Hauseingang entfernen."
Der Wirt schnappte nach Luft.
"Unternehmungslustig, wie ich bin, lade ich meine Frau ein, mit mir zu einer Party zu gehen, die im Haus gegenüber stattfindet. Sie muss genau auf die Stelle treten, wo sich normalerweise der Kanaldeckel befindet."
"Wird sie an dem Sturz sterben?"
"Klar! Das Loch ist verdammt tief. Ich habe nachgeschaut." Thomas grinste zuversichtlich. Er hatte alles genau geplant.
"Und wie willst du deine Frau für tot erklären lassen, wenn sie nicht gefunden wird?"
"Sie wird gefunden, glaub mir", versicherte Thomas. "Die Kanalarbeiter überprüfen unsere Schächte zweimal im Jahr. Ich glaube, im Juni ist es wieder so weit. Bis dahin kann ich warten."
"Dann können wir am 1. Mai deine wiedergewonnene Freiheit feiern." Der Wirt rieb sich die Hände, als witterte er schon das große Geschäft.

Das glückliche Ende

Am 1. Mai öffnete der Wirt seine Kneipe schon am frühen Nachmittag für diejenigen, die keine Gelegenheit für eine Mai-Tour hatten.
Und das waren nicht wenige.
Ständig musste er Bier zapfen, wobei er sich Mühe gab, die Eingangstür keine Sekunde aus den Augen zu lassen.
Da geschah es.
Die Tür ging auf und eine große, blonde Schönheit mit atemberaubender Figur betrat die gute Schankstube.
Sie schaute sich eine Weile suchend um, bis sie den Wirt entdeckte.
Mit einem verführerischen Lächeln tänzelte sie auf die Theke zu und bestellte sich ein Glas Champagner.
"Haben wir etwas zu feiern?", fragte der Wirt und ließ den Champagnerkorken knallen.
"Oh ja, mon amour", hauchte Chantal. "Es soll sich für dich lohnen, dass du mir von Thomas' Plan erzählt hast."
Der Wirt schmolz dahin.
Die langstieligen Champagnergläser klangen klar und hell, als sie miteinander anstießen.
"Jetzt müssen wir nur noch bis Juni warten, damit die Kanalarbeiter seine Leiche finden."

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