Kurzkrimis

Mördermord an Halloween

Obwohl Halloween ist, spukt kein einziges Kind auf der Straße. Nirgendwo klingelt es an der Tür, niemand bettelt um "Süßes oder Saures". Das ganze Dorf lebt in Angst. Ein gefährlicher Kindermörder ist aus dem Gefängnis entlassen worden und in das Dorf zurückgekehrt. Plötzlich huscht ein Skelett über die Straße.

Mördermord an Halloween

Vollmond an Halloween

Die Nacht brach herein. Der Vollmond stand groß, rund und hell am Himmel. Er ließ die Dorfstraße in silbrig-fahlem Licht schimmern.
Es war Halloween.
Alles lag in Totenstille.
Kein einziges Kind lief verkleidet von Haus zu Haus.
Die Mütter hielten ihre Kinder in den Häusern, weil die Angst im Dorf umging. Der Kindermörder Bodo Kromm war frühzeitig aus dem Gefängnis entlassen worden. Wegen guter Führung! Und sein Elternhaus stand am Ende der Dorfstraße.
Alle Proteste hatten nichts genutzt. Sogar der Versuch, einen Widerspruch gegen das Urteil einzulegen, war gescheitert. Bodo Kromm, der Kindermörder, lebte jetzt unter ihnen.
Fassungslosigkeit machte sich im Dorf breit. Niemand konnte das Urteil der Justiz verstehen. Die Eltern wurden mit ihrer Angst um ihre Kinder allein gelassen.

Es geht los

Plötzlich zerriss ein markerschütternder Schrei die Stille.
Miriam warf einen Blick aus dem Fenster. Sie erschrak. Eine Gestalt in einem schwarzen Gewand rannte mit einer Axt in der Hand durch die Straße. Auf der vorderen Seite des Gewandes war ein weißes Skelett in Lebensgröße abgebildet. Der Totenkopf wandte sich zu ihrem Fenster. Sein Grinsen ließ Miriam das Blut in den Adern gefrieren.
Sie nahm ihre zehnjährige Tochter ganz fest in den Arm.
Lisa war genau im gleichen Alter wie die Kinder, die Bodo Kromm missbraucht und anschließend getötet hatte.
Und nun war dieses Ungeheuer in das Dorf zurückgekehrt, in dem er seine Gräueltaten begangen hatte. Das Dorf, in dem vier zehnjährige Mädchen einem Päderasten zum Opfer gefallen waren. Das Dorf, das immer noch seine Wunden leckte und das jetzt mit Bodo Kromm in einer Gemeinschaft leben sollte.
Miriams Gedanken wurden abgelenkt.
Wieder lief eine Gestalt über die Straße. Wieder war sie in ein schwarzes Gewand mit einem weißen Skelett gehüllt. Diese Gestalt trug ein Messer.
Neugierig geworden verharrte Miriam am Fenster. Ihre Ausdauer wurde belohnt, denn schon wenige Minuten später lief das nächste Skelett an ihrem Haus vorbei. Dieses Mal mit einem Hammer in der Hand.
Miriam fröstelte.
Nach einer Weile kehrte die gewohnte Stille zurück. Nichts tat sich mehr auf der Dorfstraße.
Irgendwann schlief Miriam mit ihrer Tochter im Arm auf dem Sofa ein.

Besuch von der Polizei

Das Klingeln an der Haustür riss Miriam aus dem Schlaf. Lisa saß auf dem Sessel und spielte mit der Fernbedienung, ein Anblick, der Miriams wild klopfendes Herz sofort wieder beruhigte.
Sie öffnete und staunte nicht schlecht, als sie einen Polizeibeamten vor ihrer Haustür stehen sah.
"Ich bin Kommissar Huber und ermittele im Mordfall Bodo Kromm", stellte er sich vor und zeigte seinen Ausweis.
"Bodo Kromm?" Miriam konnte nicht umhin, sich über diese Nachricht zu freuen.
"Ja! Heute Nacht ist jemand gewaltsam in sein Haus am Ende der Dorfstraße eingebrochen und hat ihn getötet. Die Leiche wurde dabei so grausam entstellt, dass wir nur durch einen DNA-Abgleich sichergehen konnten, dass es sich wirklich um Bodo Kromm handelt", erklärte Kommissar Huber.
"Und warum sind Sie hier?", fragte Miriam. "Wollen Sie von mir ein Alibi?"
"Nein! Wir wollen nur wissen, ob Sie heute Nacht etwas Verdächtiges auf der Dorfstraße beobachtet haben."
"Oh ja!" Miriam beschrieb die Gestalt, die sie gesehen hatte.
"Kommen Sie bitte mit zum Polizeirevier, damit wir dort eine Gegenüberstellung machen können", bat Kommissar Huber.

Eine starke Gemeinschaft

Kaum hatte Miriam das Polizeirevier betreten, traf sie auf viele bekannte Gesichter. Alle ihre Nachbarinnen saßen dort und schauten ihr entgegen.
Keine sprach ein Wort.
Kommissar Huber bat die Damen in einen Raum, in dem die Gegenüberstellung stattfinden sollte.
Zehn Gestalten traten hinter eine Glasscheibe - alle in schwarze Gewänder gehüllt, mit einem weißen, lebensgroßen Skelett auf der Vorderseite.
Das einzige, was sie voneinander unterschied, waren die Körpergröße, die Haltung und die Bewegungen.
"Können Sie denjenigen erkennen, den sie in der letzten Nacht auf der Dorfstraße gesehen haben?", fragte Kommissar Huber.
Miriam war die erste, die sprach.
Sie sagte: "Das können alle gewesen sein."
"Stimmt! Alle sehen gleich aus", schloss sich eine ihrer Nachbarinnen an.
"Genauso ist es. Ich kann keinen Unterschied erkennen", lautete der nächste Kommentar.
"Ich auch nicht."
"Sind Sie sich ganz sicher?", hakte Kommissar Huber nach.
"Absolut!"
Kommissar Huber murmelte: "Dann muss ich alle wieder gehen lassen."
Als er keine Erwiderung erhielt, ließ er die Frauen wieder gehen.
Nachdem sie das Gebäude verlassen hatten, entließ Kommissar Huber die verhüllten Gestalten ebenfalls in die Freiheit.
Enttäuscht stellte er sich ans Fenster und schaute hinunter auf die Straße. Dort sah er, wie die vielen Frauen sich umarmten und auf die Gruppe der verkleideten Menschen warteten.
Lachend zogen sie davon.
Ein Kollege stellte sich neben Kommissar Huber.
Lange schwiegen beide Männer, bis Kommissar Huber sagte: "Kann ich ein ganzes Dorf dafür verurteilen, dass es seine Kinder vor einem gefährlichen Päderasten schützen will?"

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