Lügen - ein heikles Thema. Tatsächlich sind wir alle kleine oder große Lügner. Es stellt sich die Frage: Ab wann wird es mit dem Lügen problematisch? Das gilt für den Umgang mit sich selbst und mit anderen.
Babys lügen nicht, Kinder schon
Wer Kinder hat, wird es wissen: Säuglinge melden ohne Weiteres spontan und
"ehrlich" ihre Bedürfnisse an. Hierzu machen sie sich bekanntlich
vor allem verbal bemerkbar. Sie kennen bestimmt die Volksweisheit: Babys und Betrunkene
sind ehrlich. Da ist was dran. Alkohol enthemmt bekanntlich und führt dazu,
dass Hirnregionen, die für die Kontrolle der Affekte und die Emotionsregulation
verantwortlich sind, "runterfahren".
Babys andererseits verfügen noch gar nicht über Hirnabschnitte, die
ihre Emotionen kontrollieren könnten. Daher kommt die Anmeldung eines Bedürfnisses
"ungebremst" daher.
Wenn die Lüge ein Mittel zum Zweck wird
Etwa in der Mitte des zweiten Lebensjahres kommt es beim Heranwachsenden zu einem
existenziellen Moment: das Ich-Bewusstsein entsteht. In diesem Alter müssen
sich die Kleinen bereits mit ihren Bedürfnissen und denen der Anderen auseinandersetzen.
Erstaunlicherweise lernen Heranwachsende sehr schnell, wie sie ihre Eltern manipulieren
können (das ist normal und kommt aller Wahrscheinlichkeit nach bei jedem
Kind vor). Im Vordergrund stehen dabei immer Bedürfnisse. Ein zentrales Bedürfnis
ist etwa Aufmerksamkeit. Wenn Eltern in dieser Phase nicht aufmerksam sind und
auf die ersten Manipulationsversuche ihrer Lieben eingehen, kann es sein, dass
eine solide Lügen-Grundlage gelegt wird.
Beispiel: Geschwistereifersucht. Es ist sehr nachteilig, wenn Eltern auf die verschiedenen
Psychospiele ihrer Kinder ("Der hat mir Aua gemacht!") hereinfallen.
Schon früh sollte man stattdessen damit beginnen, den Nutzen der Authentizität
zu vermitteln. Ansonsten werden aus "kleinen Lügnern" später
einmal sehr große.
Kleine Lebenslügen
Sie kennen bestimmt den Klassiker: Sie sitzen in einem Restaurant. Der Abend neigt
sich dem Ende zu. Ihr Dessert steht noch vor ihnen. Ungenießbar! Den Hauptgang
haben Sie über sich ergehen lassen. Nun ist es genug. Sie verlangen die Rechnung.
Die Bedienung kommt vorbei, reicht ihnen den Zettel und fragt: "Na, hat
es Ihnen geschmeckt?" Nun, dem war bekanntlich nicht so. Trotzdem sagen
Sie: "Ja, es hat geschmeckt!"
Keine spektakuläre Sache, klar. Wieso sich den Stress geben? Die Frage ist
aber: Lügen wir oft unbewusst (wie im Restaurant)? Bei den sogenannten kleinen
Lebenslügen liegen die Dinge keineswegs im Argen. Man sollte sich aber darüber
bewusst sein, wann man wie lügt - und vor allem: wie oft? Das gehört
zu einem authentischen, bewussten Lebensstil dazu.
Große Liebeslügen
Therapeuten, die ihren Klienten auf den Zahn fühlen, aber auch gute Menschenkenner kommen sehr schnell auf den "Trichter": Viele Menschen praktizieren einen Lebensstil, der nicht unbedingt ihren wahren Bedürfnissen entspricht. Klar ist aber auch: Das Leben ist bekanntlich kein Wunschkonzert. Wie viele etwa einen Job ausüben, der ihnen eigentlich gar nicht gefällt, steht in den Sternen. Es dürfte aber einige Menschen geben, die sich selbst und anderen einreden: Alles ist "easy". Kann man in diesem Fall von einer großen Lebenslüge sprechen? Schon. Und da große Lebenslügen mehr oder weniger die Psyche belasten, darf sich jeder einmal entsprechend an die eigene Nase fassen. Es wirkt erfahrungsgemäß sehr befreiend, wenn man seinen eigenen Bedürfnissen mal "Luft macht". Dies funktioniert meistens ganz gut, wenn man sich mit dem Partner zusammensetzt und gemeinsam reflektiert.
Wann man lügen und wann man darauf verzichten sollte
Gerade in Partnerschaften kommt es vor, dass mindestens einer der beiden seine
Bedürfnisse verdrängt, um es dem Anderen recht zu macht. Daran ist prinzipiell
nichts auszusetzen, wenn der Betreffende dies bewusst so will und nicht
selbst darunter leidet.
Partner sind nicht immer ehrlich. Sie brauchen nur an das bekannte Thema Eifersucht
zu denken. Würden Sie Ihrer besseren Hälfte erzählen, dass sie
letztens eine Person gesehen haben, die Sie stark sexuell gereizt hat? Wohl eher
nicht, oder?
Auf der anderen Seite kann es belastend sein, seine eigenen Bedürfnisse auf
Dauer zu verdrängen. Wer das Gefühl hat, er ist davon betroffen, kann
etwa auch einmal ein authentisches Gespräch mit seinem Partner führen.
Bewusst lügen - bewusst authentisch sein
Dass Partner miteinander gerne über die soziale Umwelt lästern, ist
eine Binsenweisheit. Gemeinsames Lästern schweißt zusammen. Wieso sollte
das nicht auch in Hinsicht auf das Thema Lügen klappen?
Das heißt: Setzen Sie sich doch mit Ihrem Partner beziehungsweise mit einem
Menschen, der Ihnen sehr nahe steht, zusammen - und dann sprechen Sie mal
über das hier behandelte Thema.
Leicht findet man Gemeinsamkeiten. Auch humorvolle Geschichten ergeben sich. Gespräche
über die Angelegenheit "Wann lüge ich?" können die
Paar-Identität neu definieren. Aber übertreiben Sie nicht!
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